Eine Kollision und ein «Mann über Bord» fordern die Seeretter
Am Freitag haben die Seerettungsdienste Horgen, Meilen und Wädenswil gemeinsam einen Notfall auf einem ZSG-Schiff geübt. Die Situation präsentierte sich unübersichtlich.
Über dem Zürichsee braut sich am Freitagabend ein Gewitter zusammen. Und dann geschieht das Unglück: Ein privates Motorboot stösst mit der MS Limmat der Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft (ZSG) zusammen. Das Passagierschiff lässt ein entsprechendes Hornen erklingen und signalisiert damit den Notfall.
Für die Seerettungsdienste Horgen, Meilen und Wädenswil hat dies einen Grosseinsatz zur Folge. Um 18 Uhr geht bei den Einsatzkräften eine Meldung ein: Kollision, ZSG-Fahrgastschiff manövrierunfähig, Personen im Wasser. Keine zehn Minuten später sind die drei Rettungsdienste mit je einem grossen und einem kleinen Boot vor Ort.
Rauch auf ZSG-Schiff
Bei dieser Notsituation handelt es sich glücklicherweise nur um eine Übung. Mit dieser solle das Zusammenspiel der drei Organisationen geübt werden, erklärt Christoph Schwarzenbach, Obmann des Seerettungsdienstes Horgen.
Auf dem vermeintlich sinkenden Motorboot liegt ein Verletzter, zudem befindet sich eine Person im Wasser. Sie hat Priorität und wird gleich zu Beginn geborgen. Aber auch den Mann mit einem gebrochenen Bein, der auf der Badeplattform des Boots liegt – ein Figurant –, betreuen die Rettungskräfte unverzüglich.
Der fiktive Zusammenstoss der Schiffe hat auf dem Vorderdeck der MS Limmat für Rauchentwicklung gesorgt. Der Übungsleiter und Vize-Obmann des Seerettungsdienstes Wädenswil, André Kistler, beobachtet die Lage auf dem ZSG-Schiff. «Die Einsatzkräfte müssen nun das Schiff drehen, damit der Rauch nicht in Richtung der Passagiere weht und so für eine Rauchvergiftung sorgen würde», erklärt Kistler. Es sei herausfordernd, bei diesen verschiedenen Schauplätzen den Überblick zu behalten.
Gemeinsam mit den ZSG-Mitarbeitern wenden die Einsatzkräfte die MS Limmat. Diese erste Phase eines Einsatzes nennt sich Chaosphase. Doch gerade diese ersten Minuten am Ort des Unglücks sind entscheidend. Meist herrscht eben in jenem Zeitraum eine gewisse Hektik. Die Einsatzkräfte müssen sich einen Überblick über die Situation verschaffen, sich koordinieren und organisieren. Nach diesem Manöver ist die erste Übungseinheit beendet.
Reanimation unter schwierigen Bedingungen
Nun beginnt an Bord der MS Limmat ein Postenlauf. Beobachtet werden die Einsatzkräfte dabei von politischen Vertretern der beteiligten Gemeinden. So sind unter den Anwesenden der Meilemer Gemeinderat Alain Chervet (FDP), der Wädenswiler Stadtrat Daniel Tanner (SP) und Horgens Gemeinderätin Gerda Koller (Mitte) vor Ort. Ebenfalls mit von der Partie sind Vertreter der Blaulichtorganisationen der Gemeinden sowie der Leiter des Rettungsdiensts des See-Spitals Horgen, Peter Ott Meroni.
Zu beobachten gibt es einiges. So bergen die Einsatzkräfte einen Figuranten aus dem engen und lauten Maschinenraum. Die Geräuschkulisse erschwert die Kommunikation unter den Beteiligten. Doch dies ist nicht die einzige Herausforderung für die Seeretter: Sie müssen die verletzte Person auf einer Liege die steile Treppe hochtragen. In der engen Bordküche wird die Reanimation dann an Puppen simuliert.
An Deck machen sich die Einsatzkräfte zudem mit dem Rettungsmaterial des ZSG-Schiffes vertraut. Sie testen beispielsweise die Wasserpumpe zur Brandlöschung.
Besonders viel Übung erfordert es, die «manövrierunfähige» MS Limmat an den Steg zu verfrachten. Der ZSG-Kapitän wählt für diese Übung die Schiffsstation in Obermeilen. Die Einsatzkräfte befestigen mit langen Seilen je ein Rettungsboot am Bug und Heck des rund 220 Tonnen schweren Passagierschiffs und ziehen beziehungsweise befördern dieses so in Richtung Obermeilen.
Assistiert werden sie dabei vom Kapitän sowie von einem Seeretter, die von der Brücke der MS Limmat aus die Situation im Blick haben und die entsprechenden Kommandos geben können. Die Einsatzkräfte müssen dabei den Wind beachten, der das Schiff zusätzlich Richtung Obermeilen treibt. Das sei eine besondere Herausforderung, betont Einsatzleiter André Kistler.
Draussen ist es bereits dunkel, als André Kistler im Innenraum der MS Limmat mit der Nachbesprechung der Übung beginnt: «In der Chaosphase sind alle Einsatzkräfte ruhig geblieben und haben gut miteinander kommuniziert», lobt er das Team. Zudem sei die Zusammenarbeit mit den ZSG-Mitarbeitenden äusserst lehrreich gewesen. Einen wichtigen Schritt hätten die Seeretter jedoch vergessen: Wer die Leitung der Rettung übernehme, müsse sofort zum Kapitän auf die Kommandobrücke gehen und von dort aus das weitere Vorgehen koordinieren.
Der Abend, der so dramatisch begonnen hat, klingt für die Milizkräfte gemütlich aus. Nach rund drei Stunden im Einsatz macht sich das ZSG-Schiff auf den Weg nach Horgen. An Bord der MS Limmat lassen die Einsatzkräfte die Rettungsübung mit einem gemeinsamen Abendessen ausklingen.