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14.08.2023 20:00

Der Zürichsee ist ihr Revier – hier retten sie Leben

Wenn der Zürichsee voll mit Booten und Schwimmern ist, behalten Seeretter den Überblick. Wir haben den Seerettungsdienst Region Meilen einen Tag begleitet.

 

Eine Grossfamilie hat sich auf der Badewiese zum Picknick niedergelassen, ein Pärchen spielt am Ufer mit seinem Hund, und im Wasser tummeln sich zahlreiche Teenager auf ihren Stand-up-Paddle-Boards. Im Ländeli in Obermeilen herrscht an diesem Sommertag emsiges Treiben. Mittendrin liegt das Seeretterhüsli.

Hier haben sich 38 Jahre Seerettererfahrung versammelt: Obmann Daniel Jambor, der stellvertretende Obmann Simon Gassmann und Tauchleiter Michael Zürcher haben an diesem Sonntag beziehungsweise am ganzen Wochenende Pikett. Jeweils von April bis Oktober ist das Häuschen am Wochenende besetzt. 

«Wir haben Pikett und sind über Funk erreichbar», meldet Jambor die Truppe um kurz nach 10 Uhr über Funk an. Nach und nach knistert es immer wieder, und auch die anderen Seerettungsdienste melden ihren Dienstbeginn über den Funk. Dabei handelt es sich um einen speziellen Funk, der den Seerettungsdiensten und natürlich der Seepolizei vorbehalten ist. 

Boote abschleppen und Brillen bergen

Acht Stunden sind die drei Seeretter an diesem Tag im Seeretterhüsli beziehungsweise auf dem See unterwegs. Doch Notfalleinsätze lassen sich nicht planen. «Wir sind eigentlich das ganze Jahr durch sieben Tage die Woche 24 Stunden im Einsatz», sagt Gassmann. Jederzeit können die Angehörigen des Seerettungsdienstes Region Meilen per Telefon alarmiert werden. Am Vorabend rückten Gassmann, Jambor und Zürcher denn um acht Uhr auch erneut aus und hatten erst um Mitternacht Feierabend.

Sie mussten ein liegen gebliebenes Motorboot abschleppen. «Das war ein ziemlich grosses Boot, es hatte sogar ein Badezimmer unter Deck», erzählt Zürcher. Mit dem Stürmer, dem grösseren der beiden Seeretterboote, zogen sie das Schiff von Männedorf bis nach Altendorf am Obersee.

Boote mit Motorschaden abschleppen oder auch losgerissene Segelschiffe bergen seien relativ häufige Einsätze, erzählt Gassmann. Etwa 65 Einsätze und Aufträge nimmt der Seerettungsdienst Region Meilen pro Jahr wahr. Bei den Aufträgen werden beispielsweise Bojen gewartet oder verlorene Gegenstände wie Sonnenbrillen aus dem See geborgen – dies wird im Gegensatz zu Notfalleinsätzen nicht von der öffentlichen Hand übernommen.

An der Street Parade eingesprungen

Auch das zweite Seeretterboot, der Weidling Sprinter, war bereits am Samstag im Einsatz, denn die Meilemer sprangen als Ersatz an der Street Parade ein, etwa um Polizisten vom einen ans andere Seeufer zu transportieren oder die Fahrstrasse freizuhalten. Ein anspruchsvoller Einsatz angesichts berauschter Raver im Wasser. 

An diesem Sonntag werden die Boote für Patrouillenfahrten mehrfach zu Wasser gelassen. Routiniert lässt Michael Zürcher den Stürmer, der in einer Hebevorrichtung befestigt ist, ins Wasser gleiten. Im Rückwärtsgang steuert Gassmann das Boot vom Typ Parker anschliessend aus dem schmalen Bootshaus. Als Erstes steht eine profane, aber notwendige Aufgabe an: Zum Tanken geht es erst einmal an die Seetankstelle, die direkt hinter der Portierwerft liegt. 

Bei der Anfahrt an die Mole bleibt genügend Zeit, der Nachbarin kurz zuzuwinken. «Man kennt und man grüsst sich auf dem See», sagt Zürcher. Mit vollem Tank setzen die Seeretter die Fahrt in Richtung Herrliberg fort. Hier liegt die Grenze, an welcher der Seerettungsdienst Horgen übernimmt. Abgedeckt durch den Seerettungsdienst Region Meilen wird das Seegebiet vor den Gemeinden Meilen, Uetikon und Männedorf.  

Gemeinschaftsgefühl als Voraussetzung

Geschickt steuert Gassmann den ZSG-Steg an, bis das Seeretterboot ruhig und parallel an der Anlegestelle liegt. Der Funk bleibt ruhig, da haben die Seeretter Zeit, ihre Fähigkeiten bei Fahrmanövern zu schulen. Auch das Checken der Bojenfelder gehört auf Patrouille dazu. Mit geübtem Blick prüft Zürcher beim Bojenfeld Rossbach, dass sich keines der vertäuten Schiffe losgerissen hat. Mit bis zu 75 Kilometern pro Stunde geht es nun zurück in Richtung Obermeilen: vorbei an der Panta Rhei, einem Saunaboot und zahlreichen Segel- und Motorschiffen. Da kommt fast Ferienstimmung auf. 

Verstärkt wird dieses Gefühl noch vom Mittagessen im Seeretterhüsli. Zwar steht Simon Gassmann am Grill, doch das eigentliche Kommando führt in kulinarischen Belangen Michael Zürcher. Er achtet darauf, dass nicht nur Steaks, sondern auch Gemüse auf dem Gasgrill landet. 

Was nach einem entspannten Grillnachmittag unter Freunden klingt, hat einen ernsten Hintergrund. «Die Kameradschaft ist wichtig, damit auch bei einem Einsatz alles funktioniert», erklärt Zürcher. Dass jemand ins Team passe, sei denn auch das oberste Credo bei der Aufnahme von neuen Seerettern, ergänzt Gassmann. 20 Meilemer, Männedörfler und Uetiker gehören zur reinen Männertruppe. Eine Frau habe sich bislang noch nie beworben, sagt Jambor. Beruflich ist die Mannschaft breit gefächert. Das gehe vom Handwerker über den IT-Fachmann bis zum Zahnarzt. 

Unterkühlte Ruderin gerettet

Wichtig ist für die Seeretter auch das soziale Umfeld. «Wenn einem die Familie nicht den Rücken freihält, wird es schwierig», sagt Jambor. Er muss es wissen, denn zusätzlich zum Pikettdienst und den Übungen investiert der Seeretter-Obmann, der schon ein Vierteljahrhundert im Dienst ist, 200 Stunden pro Jahr in das Milizamt. 

Wie essenziell es ist, dass sich die Seeretter blind verstehen, zeigt sich, wenn auf dem See jemand in Not gerät. So etwa, als im Frühling eine Ruderin aus ihrem Boot fiel. «Sie hatte nur noch 30 Grad Körpertemperatur», schildert Jambor die lebensgefährliche Situation. «Wir haben sie in eine Wärmedecke gewickelt und an den ZSG-Steg in Meilen gefahren, wo der Rettungswagen übernommen hat», erinnert sich Gassmann an die bangen Minuten. Die Frau überlebte den Sturz ins kalte Wasser. 

An diesem Sonntagabend treten Jambor, Zürcher und Gassmann kurz nach 18 Uhr den Heimweg an, ohne dass sie zu einem Einsatz gerufen wurden. Doch sie können nie wissen, ob mitten in der Nacht nicht das Telefon klingelt und sie zu einer Rettungsaktion fahren müssen. 

Quelle: Zürichsee-Zeitung vom 14.08.2023

 

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